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Gedenkort "Ostarbeiter-Kinderheim" in Wiemersdorf

 Alte Ziegelei 

Auf dem Grundstück einer ehemaligen Ziegelei im Ziegeleiweg war von 1944 bis 1945 ein „Ostarbeiter-Kinderheim“ eingerichtet, in dem Kinder von Zwangsarbeiterinnen von ihren Müttern zwangsweise getrennt untergebracht wurden. „Heime“ dieser Art wurden an vielen Stellen im deutschen Reichsgebiet errichtet und im nationalsozialistischen Amtsdeutsch offiziell als „Ausländerkinder-Pflegestätten“ bezeichnet. Die Unterbringung der Kinder sollte die Arbeitskraft der Mütter für die Zwangsarbeit erhalten. In der Regel wurden nur polnische, ukrainische und russische Kinder in den „Heimen“ untergebracht. Nach heutigem Kenntnisstand war das „Heim“ in Wiemersdorf als „Pflegestätte“ für den Westen und eine Baracke am Kreiskrankenhaus in Bad Segeberg für den Osten des Kreises Segeberg zuständig.

 

Wie in vielen anderen dieser Einrichtungen waren auch im Wiemersdorfer „Ostarbeiter-Kinderheim“ die Ernährung und Pflege unzureichend, so dass viele Kinder wenige Tage oder Wochen nach der Geburt verstorben sind. Die Gesamtzahl der dort untergebrachten Kinder ist unbekannt. Es ist dokumentiert, dass 16 Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die in Wiemersdorf polizeilich gemeldet waren, verstorben sind. 13 dieser Kinder haben nachweislich das „Ostarbeiter-Kinderheim“ durchlaufen; davon sind 10 unmittelbar im „Heim“, zwei in Neumünster und eins in Alveslohe gestorben. Auf den Sterbefallanzeigen ist in den meisten Fällen „Ernährungsstörung“ angegeben. 

 

Dies sind die 16 verstorbenen Kinder, von denen die meisten als „feindliche Ausländer“ beerdigt wurden (Friedhöfe in Klammern: BB – Bad Bramstedt, KK – Kaltenkirchen, NMS – Nordfriedhof Neumünster):

 

  • Henry Hetner, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 13.09.1943 in Kaltenkirchen, gest. am 05.01.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Paul Burenina, Sohn einer russischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 23.06.1944 in Bad Segeberg, gest. am 07.08.1944 in Alveslohe (KK)

  • Heinrich Wladislaw Pawloska, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 03.06.1944 in Neumünster, gest. am 20.08.1944 in Wiemersdorf (NMS)

  • Ewgenij Kasakowzew, Sohn einer russischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 05.12.1940 in Mogilow (Russland), gest. am 04.09.1944 (NMS)

  • Johann Marciniak, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 02.07.1944 in Gadeland, gest. am 03.09.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Julek Polzik, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 23.02.1944 in Weddelbrook-Hasselbusch, gest. am 25.09.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Jenni Smoljakowa, Tochter einer russischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 29.02.1944 in Barisow (Kreis Minsk), gest. am 26.09.1944 in Neumünster (NMS)

  • Janina Posluschny, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. 04.04.1944 in Bad Segeberg, gest. am 01.10.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Stanislaus Watczyk, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 30.03.1944 in Neumünster, gest. am 03.10.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Irene Gryglak, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 23.08.1944 in Wiemersdorf, gest. am 04.10.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Jan Stanisch, Sohn einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 07.03.1944 in Bad Segeberg, gest. am 04.10.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Irene Mejasz, Tochter einer Zwangsarbeiterin aus Ludwinow (Kreis Niegowo)
    geb. am 29.02.1944 in Neumünster, gest. am 04.10.1944 in Wiemersdorf (NMS)

  • Beruta Briganska, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 17.04.1944 in Bad Segeberg, gest. am 25.10.1944 in Neumünster (NMS)

  • Anna Czajlawska, Tochter einer ukrainischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 28.12.1943 in Kaltenkirchen, gest. am 18.11.1944 in Neumünster (NMS)

  • Ella Wowk, Tochter einer russischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 06.10.1943 in Kaltenkirchen, gest. am 23.11.1944 in Wiemersdorf (BB)

  • Nina Busum, Tochter einer polnischen Zwangsarbeiterin
    geb. am 02.01.1945 in Neumünster, gest. am 29.01.1945 in Wiemersdorf (BB)

 

Die Gemeinde Wiemersdorf verneigt sich in stillem Gedenken vor den jungen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im eigenen Dorf. Die Toten mahnen uns, für eine menschenwürdige Zukunft einzustehen.

 

Literatur:

  • Uwe Fentsam, „Das ‚Ostarbeiter-Kinderheim‘ in Wiemersdorf (1943/45)
    als Beispiel für eine ‚Ausländerkinder-Pflegestätte‘ in Schleswig-Holstein“, http://www.zwangsarbeiter-s-h.de/Ergebnisse/AKPS/AKPS-Wiemersdorf-1.htm

  • Uwe Fentsahm, „Das ‚Ostarbeiter-Kinderheim‘ Wiemersdorf“, Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 2022, S. 116

  • Uwe Fentsahm, „Die verstorbenen Kinder der NS-Zwangsarbeiterinnen:
    Warum sind ihre Gräber nach 1945 so schnell verschwunden?“, Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 2023, S. 164

  • Uwe Fentsahm, „ ‚Ausländerkinder-Pflegestätten‘ (AKPS) in Schleswig-Holstein – eine Einführung in das Thema mit Hinweisen zum bisherigen Forschungsstand“, Mitteilungen der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 102, Frühjahr 2022, S. 4

  • Kay Dohnke, Rolf Schwarz, „Namen wiederfinden, Schicksale rekonstruieren, Verantwortlichkeiten aufzeigen – Ein Werkstattbericht des AKENS“, Mitteilungen der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 102, Frühjahr 2022, S. 13

  • Eckhard Heesch, „ ‚Unterwegs starb das jüngste Kind, es war ein Junge, ein Säugling‘ - Die verstorbenen Kinder von Zwangsarbeitenden im Landkreis Segeberg“, unveröffentlicht

  • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Bad Bramstedt, „Opfer des 2. Weltkriegs“, https://www.kirche-badbramstedt.de/friedhof/opfer

  • Helge Buttkereit: Verdrängen, Vergessen, Erinnern. Ein Wegweiser zu den Gedenkorten an die Opfer der NS-Zeit im Kreis Segeberg, Seedorf 2017, S.32 ff.

 

Autor: Dr. Frank Starrost

 

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